Dipl. Psych. Ingo Wagenbreth ( Schulpsychologe in Eisenach)

KLEINE DENKER GANZ GROSS ( 2005 )

Ergebnis des Workshops „ Diagnostik“

Das Ziel des Workshops bestand darin, Grundlagen der pädagogisch– psychologischen Diagnostik aus der Sicht der Schulpsychologie in Thüringen zu vermitteln.
Die Einheit von Leistungsdiagnostik, Persönlichkeitsdiagnostik und Motivations– diagnostik sind stets als Einheit zu betrachten, um aus den ntsprechenden Ergebnissen pädagogisches Handeln ableiten zu können.

Folgende Übersichten wurden vorgestellt, die Grundlage diagnostischen Handelns sein können:

Schwerpunkte, die notwendige Grundlagen für eine wissenschaftliche Psychodiagnostik bilden ( Weinert 2002)

1. Der Begriff Hochbegabung ist inhomogen und bedarf der individuellen Spezifikation
2. Exzellente Leistungen können oberhalb bestimmter intellektueller
Schwellen bei verschiedenen individuellen Voraussetzungen und auf unterschiedlichen Entwicklungspfaden erreicht werden.
3. Lernen ist der entscheidende kognitive Mechanismus bei der Transformation hoher Begabung in exzellente Leistung.
4. Förderung von Hochbegabten besteht in der Anregung, Unterstützung und Ermöglichung herausfordernder Lernprozesse sowie in der Hilfe bei der
Wahl und Realisierung anspruchsvoller Bildungsziele.

Die Schlussfolgerungen für die entsprechende Diagnostik sehen dann wie folgt aus :

1. Die Messung der Intelligenz und die Erfassung allgemeiner kognitiver Fähigkeitsindikatoren sollte zwar ein erster, niemals aber ein letzter Schritt der Begabungsdiagnose sein.
2. Kein Fähigkeitstest ist generell valide ( gültig), sondern immer nur für bestimmte Zielgruppen und für spezielle Fragestellungen konstruiert. ( Auch aus diesem Grund sind Diplompsychologen für eine entsprechende Interpretation der Ergebnisse fast immer unerlässlich.)
3. Da hohe Begabung erst durch Lernen manifest und damit erfassbar wird, ist die alterstypische Messung erworbener Leistungskompetenzen eine wichtige Komponente jeder Diagnose. Dabei ergeben sich auch erste Hinweise auf motivationale Tendenzen, volitive Fertigkeiten und persönliche Charakteristika der hochbegabten Kinder und Jugendlichen.

Siehe auch das „Thüringer Lernkompetenzmodell"

Lerntestmodell von Guthke ( Leipzig 1980)

In der traditionellen Statusdiagnostik wird immer nur die Testleistung zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt gemessen, weniger die „ Lernfähigkeit“, die einer Leistung vorausgehen muss.
Lerntests wollen aber eher die Potenz ermitteln, die während einer Lernphase wesentlich den Zuwachs an Wissen und Können ( Lernkompetenz) beeinflusst.

Folgende Begriffe spielen in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle:

DIE INTELLEKTUELLE LERNFÄHIGKEIT ( Guthke 1980)

1. Intelligenzanlage ( intellektuelle Begabung)
2. Intelligenzstatus - der Intelligenzstatus lässt Aussagen zu über das momentane Niveau der gemessenen Leistung
3. Intelligenzpotenz - zukünftige intellektuelle Möglichkeiten ( Zone der nächsten Entwicklung, Wygotski)
- diese spiegelt eher die intellektuelle Begabung wider als der Status, da hier die individuellen intellektuellen Weiterentwicklungsmöglichkeiten erfasst werden ( Wechselwirkung von Anlage und Umwelt)
4. Außerintellektuelle Eigenschaften ( Selbst – Sozialkompetenz)

(Diskussionswürdig ist die Abhängigkeit der Verhaltenskompetenzen von der Intelligenz.)

In diesem Diagnosefall können Lehrerinnen und Lehrer ihre Erfahrungen aus dem pädagogischen Alltag in die Beratungssituation einbringen.
Diskrepanzen zwischen Testergebnissen und Schulleistungen müssen dann umfassend besprochen werden.

Hilfreich zum Verständnis von Faktorenmodellen der Intelligenz ist das Modell der " Multiplen Intelligenzen von Howard Gardner“

FAKTOREN, DIE DIE LERNFÄHIGKEIT EINES MENSCHEN BEEINFLUSSEN

1. Die sprachlich kommunikativen Fähigkeiten
2. Die mathematischen Fähigkeiten
3. Das räumliche Vorstellungsvermögen
4. Die musisch rhytmischen Fähigkeiten
5. Die kinästetisch - motorischen Fähigkeiten
6. Die interpersonellen Fähigkeiten
7. Die intrapersonellen Fähigkeiten

Wie andere „starre“ Faktorenmodelle spiegelt auch dieses Modell unzureichend das dynamische psychische Wechselspiel der Vorgänge innerhalb der Person, noch seine sozialen und emotionalen Beziehungen zur Außenwelt wider.
Das ist aber auch offensichtlich nicht der Anspruch.

Faktoren, die das intelligente Erlernen von intelligentem Wissen und automatisiertem Können ermöglichen

1. Der Erwerb von Lernkompetenz als wichtige Voraussetzung für das selbst– regulierende Lernen. Das betrifft das metakognitive Wissen über die
Regelhaftigkeit des Lernens und die Eigenverantwortlichkeit in diesem Prozess.
2. Die Pflege und Förderung von Interessen, von motivationalen Tendenzen und volitiven Kompetenzen ( Selbstkompetenz ). Aus der neigungsabhängigen Tätigkeitsvielfalt muss langfristig eine zielgerichtete Bündelung von Erkenntnisgewinn werden.

Entwicklung kindlicher Lernmotivation



3. Der Erwerb von sozialer Kompetenz ist für Hochbegabte besonders wesentlich, da sie im Arbeitsleben in Führungspositionen ihre herausragenden Fachkompetenzen im Team nutzen müssen.
4. Der Erwerb von Wertorientierungen darf nicht vernachlässigt werden. Hohe Leistungskompetenzen und großes Verantwortungsbewusstsein sollten aus pragmatischen und ethischen Gründen keine sich widersprechenden Persönlichkeitseigenschaften sein.

Das Lernpotential Hochbegabter

1. Hochbegabte lernen in der Regel schneller. ( aber: beachte die kognitiven Stile, es gibt auch „ langsam Gute“)
2. Hochbegabte lernen in der Regel besser. ( betrifft die Höhe und Tiefe des Verständnisses)
3. Hochbegabte lernen in der Regel intelligenter. ( betrifft die Art und Weise der Wissensorganisation, Vernetzung)
4. Hochbegabte lernen in der Regel planvoller. ( metakognitive Kompetenzen, Problemlösekompetenz)
5. Hochbegabte lernen oft kreativer. ( Suche nach originellen Lösungen, neue Denkansätze finden)

Diese und andere theoretische Modelle begründen die diagnostische und beraterische Arbeit der Schulpsychologen in Thüringen und finden ihre Begründung auch über die Orientierung am Berufsverband Deutscher Schulpsychologen (BDP).
Die Internetadressen www.schulpsychologie.de und für Thüringen www.schulpsychologie.th.schule.de/ können bei der Suche nach kompetenter Beratung sicher weiter helfen.


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